70 Jahre Freie Wähler aktiv im Gemeinderat der Stadt Winnenden

 

Hier können sie die Grußworte von Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth, die Einführung des Fraktionsvorsitzendens Hans Ilg und den Festvortrag von Ehrenbürger Karl-Heinrich Lebherz anklicken und nachlesen:

Begrüßung durch OB Hartmut Holzwarth

Einführung – Warum wir feiern und wer wir sind! Hans Ilg, Fraktionsvorsitzender

 

70 Jahre Freie Wähler aktiv im Gemeinderat der Stadt Winnenden

Karl-Heinrich Lebherz, Oberbürgermeister a.D. und Ehrenbürger der Stadt Winnenden     8. Dezember 2017

Nach 12-jähriger Naziherrschaft und einem Krieg mit verheerenden Folgen war Deutschland im Frühjahr 1945 von den Alliierten besiegt, verlor weite Teile seiner Ostgebiete und wurde von den Besatzungsmächten in 4 Zonen eingeteilt in denen sich für die Bevölkerung unter der Kontrolle ihrer neuen Machthaber ein Leben auf der Grundlage einer verordneten Demokratie entwickeln sollte. Die uneingeschränkte gesetzgeberische und richterliche Gewalt war an die Siegermächte übergegangen. Deutschland lag völlig am Boden. Die industrielle Produktion war auf den Nullpunkt gesunken, Hunger und Not grassierten.

Von der Einnahme unserer Stadt durch amerikanische Truppen am 20.04.1945 vergingen bis zur ersten Wahl eines Gemeinderates am 27.01.1946 mehr als 9 Monate.

Bis dahin wurde die Stadt von einem Arbeitsausschuss verwaltet dem mit dem Segen der Besatzungsmacht 12 sogenannte unbelastete Bürger angehörten. Den Vorsitz führte ein von der amerikanischen Militärregierung eingesetzter und wiederholt ausgewechselter Bürgermeister, der mit Hilfe des verbliebenen städtischen Verwaltungspersonals die anstehenden Aufgaben – und diese waren gewaltig – zu meistern hatte.

Alle Kandidaten mussten auf Anordnung der Militärregierung an Eidesstatt erklären, dass sie niemals der NSDAP oder ihren Untergliederungen angehört haben. Bei Falschangaben drohten harte Strafen.

Wie sehr die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger die erste Gemeinderatswahl herbeisehnten, zeigte die hohe Wahlbeteiligung von über 90%, ein bis heute bei Kommunalwahlen in Winnenden nie mehr erreichter Wert. Die Wahl erbrachte für die Liste der „Demokratischen Volkspartei und Christlich Sozialen Volkspartei“ einen überwältigenden Erfolg. Sie erreichte 13 von 18 Sitzen. 5 Sitze gingen an den „Demokratisch sozialen Aufbaublock“.

Dieser Gemeinderat durfte jedoch nur knapp 2 Jahre im Amt bleiben, denn die amerikanische Militärregierung verfügte per Erlass in „Württemberg-Baden“, das die heutigen Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe umfasste, dass am 07. 12. 1947, also genau gestern vor 70 Jahren, Neuwahlen durchzuführen seien.

Dabei wurde gleichzeitig festgelegt, das sogenannte rollierende System einzuführen. D.h. die Hälfte der Gemeinderäte mit den höchsten Stimmen wurden auf 6 Jahre, die andere Hälfte auf 3 Jahre gewählt. Gleichzeitig wurde für das gesamte Wahlgebiet eine alte württembergische Spezialität im Wahlrecht, das sogenannte kumulieren und panaschieren eingeführt, das sich trotz eines immensen Zeitaufwands bei der Auszählung, bis heute in unserem Bundesland bestens bewährt hat.

Bei der Wahl am 07.12.1947 bewarben sich 41 Kandidaten – Frauen waren nicht dabei – auf 4 Listen, um die 18 Sitze, nämlich

  1. Wählervereinigung Müller
  2. KPD
  3. SPD
  4. Wählervereinigung Winnenden (letztere unzweideutig die heutige FWV mit ihrem Spitzenkandidaten Franz Hinger)

Die Kandidaten dieser Wählervereinigung Winnenden sahen sich schon damals als Mitglieder einer rein kommunalen Vereinigung die als Bürger zu aller erst den Wiederaufbau und das Wohl ihrer Stadt und ihrer Einwohner im Fokus hatten.

Diese Wahl wurde zu einem Triumph für die Wählervereinigung Winnenden, die mit 13 Mitgliedern erstmals in den Gemeinderat unserer Stadt einzog. Die Wählervereinigung Müller errang 3 Mandate, die SPD 2 während die KPD leer ausging. Zum absoluten Stimmenkönig wurde Franz Hinger gekürt, der mit 4.633 Stimmen knapp 2000 Stimmen mehr erhielt als der nächste Mitbewerber.

Dieser Gemeinderat stand vor gewaltigen Herausforderungen, galt es doch für die in die Stadt einströmenden Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und aus Osteuropa Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Betrug die Einwohnerzahl der Stadt am Ende des Krieges noch 5.800 Personen, waren es binnen kurzer Zeit 8.000 Personen, deren Versorgung mit Wohnraum, Lebensmitteln und Brennstoffen zu gewährleisten war.

Außerdem waren Landwirtschaft und Gewerbe wieder in Gang zu bringen. Im Zentrum des Geschehens stand Stadtrat Franz Hinger in seiner Eigenschaft als stellvertretender Bürgermeister der gleich mehrfach in die Presche springen musste, wenn die Besatzungsmacht ein politisches Haar in der Suppe eines vom Gemeinderat eben erst gewählten Bürgermeisters fand.

Anders als heute waren einzelne Stadträte auch in die eigentlichen Verwaltungsaufgaben eingebunden weil Teile des Fachpersonals als politisch belastet galten und aus ihrem Dienst entfernt wurden oder diesen gar nicht antreten durften.

Verbrieft ist auch, dass sich Stadträte und Mitarbeiter der Stadtverwaltung an einem Sonntagvormittag mit Spaten und Schaufel an der Trümmerbeseitigung am Marktplatz beteiligten wie übrigens auch ehemalige NSDAP-Zeitgenossen, denen eine bestimmte Stundenzahl an Aufräumungsarbeiten von der Militärregierung verordnet wurde.

Mit der Zeit normalisierten sich die Verhältnisse und mit Hermann Schwab als 7. Bürgermeister nach den Krieg, zunächst als Amtsverweser, später als erster nach der Nazidiktatur von der Bevölkerung gewählter Bürgermeister zog im Jahr 1947 eine gewisse Ordnung ins Rathaus ein.

Die Mitglieder des Gemeinderats konnten sich als Organ der Verwaltung auf ihre von der Gemeindeordnung vorgegebenen Aufgaben konzentrieren und mit dem Baubeschluss für die Stöckachschule einen viel beachteten Akzent setzen.

Franz Hinger konnte sich endlich wieder auf seine eigentlichen beruflichen Aufgaben als Straßenbauer zurückziehen und sein Mandat als Stadtrat entspannter wahrnehmen.

Bei der Gemeinderatswahl am 22.01.1951 bewarben sich 3 Listen um die Wählerstimmen nämlich

  1. SPD
  2. Freie Wählervereinigung der Heimatvertriebenen und Hinterbliebenen
  3. Allgemeine Wählervereinigung Winnenden (1947 Wählervereinigung Winnenden)

Einen Namenschutz für die Wählervereinigungen hatte man weder damals noch heute. Die Freie Wählervereinigung der Heimatvertriebenen und Hinterbliebenen reichte ihre Liste auf dem Rathaus früher ein, sodass den Verantwortlichen der Wählervereinigung Winnenden nichts anderes übrig blieb als ihren Namen zu ändern um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen.

Es waren als Folge des rollierenden Systems diesmal nur 9 Stadträte zu wählen. Bei dieser Wahl errang die Allgemeine Wählervereinigung 7 Sitze, die SPD mit Friedrich Feucht, dem Vater des langjährigen Stadtrates Peter Feucht 1 Sitz und die Freie Wählervereinigung der Heimatvertriebenen und Hinterbliebenen ebenfalls 1 Sitz.

Erstmals zog auf der Liste der AWV (jetzt FWV) mit der Apothekerin Luise Gmelin eine Frau in den Gemeinderat ein, zu der damaligen Zeit noch keine Selbstverständlichkeit. Hauptaufgaben dieses Gremiums waren Wohnungsbau, Wasserversorgung und Kanalisation.

Aus den 3 Ländern Baden, Südwürttemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden wurde am 25. April 1952 das neue Bundesland Baden-Württemberg. Am 17.11.1953 wurde die Bürgerschaft erstmals gemeinsam zu den Wahlurnen gerufen. Diesmal war das Angebot folgendermaßen:

  1. BHE (Gesamtdeutscher Block der Heimatvertriebenen und der Entrechteten)
  2. SPD
  3. Allgemeine Wählervereinigung Winnenden

Letztere konnte mit wiederum 7 Mandaten ihre führende Stellung behaupten. Während der BHE 2 Sitze eroberte, ging die SPD leer aus.

Diesem Gemeinderat oblag in erste Linie Planung und Bau der Stadthalle auf die Reihe zu bringen, eine Aufgabe die, wie wir wissen, glänzend gelang.

Die personelle Stärke der FWV-Riege in den 1950 Jahren (Fraktionen gab es seinerzeit noch nicht) führte, wie Insider berichten, auch dazu, dass führende Vertreter ihre neugewählten Kollegen anwiesen, sich in den Sitzungen bei Wortmeldungen zunächst äußerste Zurückhaltung aufzuerlegen. Als sich ein neugewähltes Mitglied des Gemeinderates dennoch traute, etwas in öffentlicher Sitzung sagen zu wollen, wurde er von einem „Etablierten“ zurückgepfiffen mit den Worten. „Jonger, du ha ha hasch jetzt noch nex zom saga, du sollsch erscht no a bissle zuhöra lerna!“ Ja, das waren noch Zeiten in der jungen Demokratie!

Man schrieb den 27.11.1956 als der Gesetzgeber zu der nächsten Wahl aufrief für die folgende Listen zur Auswahl standen:

  1. Freie Wählervereinigung Winnenden vorher AWV
  2. Wählergemeinschaft der Arbeiter, Angestellten und Beamten
  3. Christliche Wählervereinigung Winnenden

Mit letzterer tauchte auf dem Wahlzettel erstmals eine Liste auf, die man wohl als Vorläufer der CDU bezeichnen konnte. Erstmals musste die FWV Mandatsverluste hinnehmen denn sie verlor 2 Sitze, behauptete sich mit 5 Sitzen jedoch gegenüber den beiden anderen Listen die jeweils 3 Mandate errangen. Erneut Wasserversorgung, ebenso Wohnungsbau und zum ersten Mal Industrieansiedlung waren die Themenschwerpunkte in dieser Legislaturperiode.

Bei der Wahl am 19.11.1959 bewarben sich erneut 3 Listen um die Wählerstimmen nämlich:

  1. FWV
  2. Wählergemeinschaft der Arbeiter, Angestellten und Beamten
  3. CDU

Erneut wurde die FWV mit 6 Mandaten, darunter der damalige Jungunternehmer und heutige Senior Erich Schief als Stimmenkönig, stärkste Kraft. Aber auch die Wählergemeinschaft behauptete sich mit 3 Mandaten gut während die CDU 1 Mandat errang. 3 Jahre später startete Peter Friedrichsohn als damals jüngstes Mitglied auf der Liste der FWV seine kommunalpolitische Karriere.

Den Schwerpunkt in diesen beiden Wahlperioden, bildeten die Vorbereitungen der Planung und Entwicklung für das Neubaugebiet Schelmenholz. In dieser Frage waren die Mitglieder der Liste der FWV sehr gespalten. Man sah das „Schelmenholz“ als Nebelloch in das kein „alter“ Winnender einziehen werde.

Erst recht unterschiedlichere Meinung war man als es um den Bau einer zentralen Wärmeversorgung im künftigen Siedlungsgebiet ging, mit der sich der Gemeinderat in seiner neuen Zusammensetzung nach der Wahl vom 04.11.1962 zu befassen hatte (Originalton eines Stadtrates und Stücklesbesitzers: „Wo soll den i denn dann mai Boohmholz verbrenne?“)

Überhaupt war dieses Gremium bekannt für seine ausführlichen Debatten und seine Streitkultur. Als es wieder einmal um die Belange der Landwirtschaft und des Farrenstalles ging, platze einem SPD-Stadtrat der Kragen. Er wandte sich mit einem jedoch nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag an die Adresse seines FWV-Kollegen und Kinobesitzers Eugen Kienle: „ No machet mir halt den Kuh-Buff en dei Kino“, was beinahe eine handfeste Auseinandersetzung nach sich zog.

Julius Grässer und Herbert Winter blieb es vorbehalten, den Streit beizulegen und die Wogen zu glätten. Bei der Nachsitzung in der Krone hatten sich dann wieder alle lieb.

Ein Briefwechsel zwischen Bürgermeister Hermann Schwab und Bürgermeister Dr. Jean Baptiste Mathias aus Albertville im Frühjahr 1967 führte zu ersten Begegnungen von Gremien beider Städte und den, auch von der FWV mitgetragenen, Grundsatzbeschluss, Verhandlungen über eine Städtepartnerschaft aufzunehmen. Das Ergebnis ist bekannt. 2019 feiern wir den 50. Geburtstag.

Spannend verlief die Wahl am 15.11.1968 als die FWV mit der SPD und der CDU, die mit dem Zusatz „Freie Wähler“ antrat, sich mit Parteilisten in Konkurrenz sah und sich die Mandate mit den beiden Mitbewerbern teilen musste.

Die Gemeindegebietsreform warf ihre Schatten voraus. Baden-Württemberg wurde von der Großen Koalition regiert und die politischen Parteien hatten als solche ihr großes Interesse an der Kommunalpolitik entdeckt.

Im November 1971 – Höfen war bereits Teil von Winnenden – wurde erstmals nach dem System der unechten Teilortswahl gewählt. Das Ergebnis: die 12 Sitze wurden paritätisch auf die 3 Bewerberlisten verteilt. Die FWV hatte erstmals ihre bis dahin führende Rolle im Gemeinderat eingebüßt.

Einschneidende Veränderungen im Wahlsystem ergaben sich bei der ersten „Gesamtstädtischen“ Wahl 1975: Das rollierende System hatte aufgehört zu existieren. Durch die Eingemeindungen kamen neue Wahlbezirke hinzu und die Zahl der Mandate im Gemeinderat erhöhte sich in der nun zur „Großen Kreisstadt“ gewordenen Stadt auf 30.

Erstmals bildeten sich im Winnender Gemeinderat Fraktionen und die FWV mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Julius Grässer glaubte, entgegen ihrer Tradition, mit dem Zusatz FWV/FDP auf ihrer Bewerberliste es den Parteien nachmachen zu müssen. Dieser Schachzug ging gründlich daneben denn mit nur noch 8 Mandaten und nur einem mehr als die SPD war man der Wahlverlierer und hatte das Wahlziel deutlich verfehlt. Klarer Sieger war die Liste der CDU/FW mit sage und schreibe 15 Mandaten, die damit die Hälfte aller Stadträte/innen stellte.

Dieser Gemeinderat arbeitete sehr zielstrebig an der Erfüllung der durch die Eingliederungsvereinbarungen übernommenen Verpflichtungen und erwarb sich vor allem in den Stadtteilen große Anerkennung.

Eine Gesetzesänderung führte bei der Wahl im Juli 1980 zu einer Reihe von Ausgleichsmandaten sodass sich die Zahl der Mandate auf 35 erhöhte. Dabei blieb die Liste der CDU/FW mit 14 wiederum vor der FWV, die geläutert nach dem Ergebnis der Wahl von 1975 wieder ohne Parteizusatz angetreten war und 11 Mandate errang. Damit konnte sie ihre Verluste die sie 5 Jahre zuvor erlitten hatte wieder einigermaßen ausgleichen. 10 Sitze fielen auf die SPD. Wichtige Themen dieser Wahlperiode waren die Stadtsanierung, Fußgängerzone und der Rathausneubau.

Bei der Vorbereitung auf die Wahl im Oktober 1984 hatte die FWV vorgesorgt. Sie hatte nämlich, um das bis dahin für sie lästige Einsammeln von Unterstützungsunterschriften – die die Parteien nicht erbringen mussten – zu umgehen, im Juli einen nichtrechtsfähigen Verein „Freie Wählervereinigung Winnenden (FWV)“ gegründet und Julius Grässer den langjährigen Fraktionsvorsitzenden zum Vorsitzenden gewählt.

Dadurch war man auch in der Öffentlichkeit präsenter und wurde als kommunalpolitische Kraft neben den Parteien besser wahrgenommen. Als erste Liste hatte Horst Layer für die FWV die Bewerbungsunterlagen für die Wahl 1984 eingereicht.

Weil sich neben den bekannten Bewerbern auch noch eine Liste die sich „Unabhängige Bürger“ nannte um die Wählerstimmen bewarb, erhöhte sich die Zahl der Stadträte/innen durch Ausgleichsmandate auf den absoluten Höchststand von 37. Aus dieser Wahl ging die CDU/FW mit 13 Sitzen hervor, knapp gefolgt von der FWV mit 12 und der SPD mit 11 Sitzen. Die „Unabhängigen Bürger“ errangen 1 Mandat.

Weil die gewählte Vertreterin geltend machte, aus familiären Gründen ihr Amt nicht antreten zu können (sie war schwanger) machte dieses Gremium landesweit Schlagzeilen als es, auf Antrag der FWV, ihr Ansinnen ablehnte. Dafür durfte man sich später am mitgebrachten Baby bei den Gemeinderatssitzungen erfreuen, das im Übrigen auch regelmäßig Zugang zu den nichtöffentlichen Beratungen hatte. Ein bisher einmaliger Vorgang.

Diesem Gremium blieb 1986 die Einweihung des Rathauses vorbehalten, auch stellte es die Weichen für den Bau des Wunnebads. Bei letzterem waren sich die Mitglieder der FWV-Fraktion nicht immer einig und es bedurfte mehrerer fraktionsinterner Beratungen ohne dass man einen klaren Kurs hätte erkennen können. Jedes Mitglied stimmte nach seiner persönlichen Überzeugung ab. Am Ende stand eine knappe Mehrheit für das Projekt.

Letztmals wurde bei der Wahl 1989 nach den Bestimmungen der unechten Teilortswahl ausgezählt nachdem es der Gemeinderat im 2. Anlauf geschafft hatte, auf die in den Eingliederungsvereinbarungen auf 20 Jahre festgeschriebenen Bestimmungen zu verzichten. Nochmals wurden 37 Sitze vergeben.

Unter den Bewerbern nicht mehr dabei war die Liste der „Unabhängigen Bürger“, dafür bewarb sich erstmals die „Alternative und Grüne Liste“ (ALI), die aus dem Stand 3 Sitze erreichte. Die CDU/FW kam auf 13 Sitze, gefolgt von der FWV mit 11 und der SPD mit 10.

Dieses Gremium erwartete der Architektenwettbewerb für den neuen Waldfriedhof und für eine dringend benötigte neue Sporthalle, die damals noch zwischen Wunnebad und Stadion angedacht war, die aber erst als “Alfred-Kärcher-Halle“ unter OB Holzwarth über 20 Jahre später Wirklichkeit wurde.

Mit dem Wegfall der unechten Teilortswahl reduzierte sich auch die Gesamtzahl der Sitze im Gemeinderat auf jetzt überschaubare 26, ein Umstand, den insbesondere der Vorsitzende dieses Gremiums zu schätzen weiß.

Wenn ich den Zeitraum zwischen Kriegsende und Ende der 1980er Jahre in meinem Vortrag etwas ausführlicher behandelt habe dann deshalb, weil vieles aus der damaligen Zeit aus unseren Erinnerungen verschwunden ist.

Sicherlich aber ist im Gedächtnis geblieben, dass die FWV in Winnenden über lange Zeit eine überragende Rolle in der Winnender Kommunalpolitik gespielt hat.

Mit der Gründung des „Verbandes Region Stuttgart“ im Jahr 1994 entwickelte die FWV in der Stadt und im Kreis neue Initiativen, galt es doch, die Freien Wähler in der Region flächendeckend zu etablieren.

Während in Stuttgart sowie in den Landkreisen Böblingen, Esslingen, Göppingen und Ludwigsburg die Freien Wähler als parteiunabhängige Gruppierung, z.T. sogar als die stärkste politische Kraft in den Gremien seit jeher vertreten waren, waren diese bei Kreistagswahlen im Rems-Murr-Kreis – wie schon in den Altkreisen Backnang und Waiblingen – traditionell nur in einer Listenverbindung mit der FDP angetreten. Als die Parteien auf Kreisebene ihre Listen für die Kreistagswahl und erstmals auch für die Regionalwahl präsentierten, fanden sich die Freien Wähler auf der Liste der FDP/FW nicht ausreichend repräsentiert.

Vertreter der Freien Wählervereinigung Winnenden erhielten Signale aus Welzheim, Schorndorf, Rudersberg und Urbach mit der Aufforderung initiativ zu werden und zumindest für die Regionalwahl eine eigenständige Liste dem Wähler zu präsentieren. Innerhalb weniger Tage trafen sich auf Einladung von Magnus Bareth zahlreiche Gesinnungsfreunde in Berglen-Lehnenberg zu einer Nominierungsversammlung an deren Ende eine komplette Kandidatenliste für die Regionalwahl präsentiert werden konnte. Das Vorhaben gelang. 7,6% der Stimmen auf Kreisebene reichten für 1 Mandat in der Regionalversammlung, das ich selbst 10 Jahre wahrnehmen durfte. Der für den Kreistag auf der Liste der FWV, eine einzigartige Winnender Besonderheit, kandidierende Magnus Bareth wurde wiedergewählt und im Gemeinderat behauptete sich die FWV mit 7 Mandaten knapp hinter der CDU mit 8 im nunmehr personell verkleinerten Stadtparlament.

Nach diesen Erfolgen drängte die FWV Winnenden darauf, einen Kreisverein als Dachorganisation der Freien Wähler im Rems-Murr-Kreis zu gründen. Diese Vorhaben wurde mit Unterstützung von RA Dr. Dieter Deuschle, Freie Wähler Regionalrat aus Esslingen erfolgreich abgeschlossen. Ich selbst übernahm das Amt des 1. Vorsitzenden, Hans Ilg wurde zum Schatzmeister gewählt, ein Amt das er bis heute begleitet.

Es ist sicherlich nicht falsch, wenn man feststellt, dass die FWV Winnenden erfolgreiche Hebammendienste bei der Geburt des Kreisvereins „Freien Wähler im Rems-Murr-Kreis e.V.“ geleistet hat – ein Kind das zwischenzeitlich längst volljährig geworden ist und sich im politischen Alltag bewährt hat.

Erstmals traten die Freien Wähler bei der Kreistagswahl 1999 in 8 von 12 Wahlkreisen an und errangen 7 Sitze, was zur Bildung einer Fraktion ausreichte. Für die FWV Winnenden holte Ursula Bodamer ein Mandat, das sie in den folgenden 2 Wahlperioden auch verteidigte. Inzwischen haben die Freien Wähler im Kreistag 15 Sitze und die FWV Winnenden wird durch Bürgermeister Norbert Sailer vertreten.

Im Herbst 1999, das Jahr des 40. Planungsjubiläums der neuen B 14 zwischen Winnenden und Backnang, organisierte die FWV unter der Regie des leider allzu früh verstorbenen damaligen Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat, Frieder Keim, einen Protestmarsch unter dem Motto „Ich bin dabei!“ um dadurch auf die unhaltbaren Zustände auf den Ortsdurchfahrten in Winnenden und Hertmannsweiler aufmerksam zu machen. Rund 1000 Personen und viele Fahrzeuge, darunter auch Abgeordnete von Bund und Land folgten diesem Aufruf und legten den Verkehr auf der Ortsdurchfahrt Winnenden für einige Stunden lahm. Durch den vereinigten Druck aus der gesamten Raumschaft, unterstützt von der Landesregierung schaffte man wenige Jahre später den Durchbruch: Der Neubau der B14 bis Nellmersbach wurde Wirklichkeit.

Das verstärkte Interesse der politischen Parteien an der Kommunalpolitik führte – wie erwähnt – seit den 1970ziger Jahren dazu, ihre früheren Vorbehalte gegen reine Parteilisten abzulegen und sich neben den Freien Wählern – die sich in Baden-Württemberg, im Gegensatz zu Bayern und anderen Bundesländern – noch immer ausschließlich als Vertreter kommunaler bzw. regionaler Interessen sehen – verstärkt zu engagieren.

Dadurch verlor zwar die FWV in unserer Stadt als einst dominierende Kraft im Gemeinderat etwas an Einfluss, kann sich aber im Konzert der politischen Parteien bis heute dennoch gut behaupten. Gleiches gilt für die Freien Wähler allgemein in den Kreistagen und im Verband Region Stuttgart. Sie alle haben eines gemeinsam: Glaubwürdigkeit, Bürgernahe und vor Ort aktive Mitwirkung an der Gestaltung des Gemeinwesens.

Der Charme der Freien Wähler im Ländle besteht darin, keine Partei zu sein, getreu ihrem Credo „lokal – regional – optimal“.

Gelten für politische Parteien kommunale Gremien gelegentlich auch als Sprungbrett bzw. Startrampe für Berufspolitiker in die Parlamente, schließen die Freien Wähler in Baden-Württemberg eine Beteiligung an Parlamentswahlen, wie Landtag, Bundestag oder Europaparlament aus.

Diesbezügliche Bestrebungen einer anderen Gruppierung im Land, ohne jeglichen organisatorischen Unterbau, die sich auch „Freie Wähler“ nennt und ihre Wurzeln im badischen Landesteil hat, lehnen wir in Baden-Württemberg ab und sind deshalb auch vor Jahren als Landesverband aus dem Bundesverband der Freien Wähler, sehr zum Leidwesen eines Herrn Aiwanger aus Bayern, ausgetreten, wohl wissend, bei den seit vielen Jahren zeitgleich mit den Kommunalwahlen stattfindenden Europawahlen durch eine nicht vorhandene Präsenz in den überregionalen Medien erhebliche Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen zu müssen.

In den 70 Jahren ihres Bestehens suchte und fand die FWV Winnenden ihre Kandidatinnen und Kandidaten aus der bürgerlichen Mitte in erster Linie bei den selbständigen Unternehmern, Handwerkern, Freiberuflern oder Landwirten resp. Weingärtnern, später auch bei leitenden Angestellten, Hausfrauen und Angehörigen des öffentlichen Dienstes.

War man in den 1950er Jahren schon stolz darauf, mit der bereits erwähnten Luise Gmelin, die erste Frau im Gemeinderat präsentieren zu können, legt man seit Jahren Wert darauf, ein ausgewogenes Verhältnis von Kandidatinnen und Kandidaten der Wählerschaft anzubieten.

Die FWV ist besonders erfreut darüber, mit Marie-Christine Sammet seit 2004 eine EU-Bürgerin – sie kommt bekanntlich aus Frankreich und ist hier heimisch geworden – als Stadträtin in ihren Reihen zu wissen. Dadurch unterstreichen sie auch ihr langjähriges Engagement bei den Städtepartnerschaften mit Albertville und Santo Domingo de la Calzada.

Es ist purer Zufall, dass die FWV im 70. Jahr ihres Bestehens – nicht ohne Freude – darauf verweisen kann, dass genau 70 Vertreter/innen ihrer Liste durch das Vertrauen der Bevölkerung Mandate im Gemeinderat der Stadt Winnenden erringen konnten die – wie die Statistik ausweist – auf insgesamt 698 Dienstjahre zurückblicken können. Mit eine Stärke der FWV ist auch die langjährige Dienstzeit ihrer führenden Vertreter im Gemeinderat z.B. Hans Ilg 28 Jahre, Julius Grässer 27 Jahre, Ursula Bodamer, Friedrich Keim jeweils 25 Jahre, Dr. Alfred Luckert und Ernst Klöpfer 20 Jahre, die durch ihre Bereitschaft zur Ausübung ihres Ehrenamtes auch mit für Kontinuität in den städtischen Gremien sorgten.

Auch waren und sind die Vertreter der FWV stets um ein gutes Verhältnis zur jeweiligen Verwaltungsspitze und ihren Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen bemüht.

Der heutige Abend ist Anlass zur Freude und Dank. Freude darüber, dass sich die FWV als Interessengemeinschaft für die Anliegen der Bürgerschaft in den 7 Jahrzehnten ihres Bestehens Vertrauen, Respekt und Anerkennung verschaffen und erhalten konnte.

Dank dafür, dass sich in dieser langen Zeit immer wieder engagierte Frauen und Männer fanden, sich als Kandidatinnen und Kandidaten bzw. Stadträtinnen und Stadträte für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich zu engagieren. Gemeinsam mit anderen haben sie viel zur guten Entwicklung unserer Stadt beigetragen. Darauf darf man heute Abend schon ein wenig stolz sein.

Mein Wunsch und meine Hoffnung ist, dass dies in unserer Stadt zum Wohle unserer Einwohner auch in Zukunft so bleiben möge.

Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und alles Gute für eine erfolgreiche Zukunft

 

Einführung – Warum wir feiern und wer wir sind! Hans Ilg, Fraktionsvorsitzender

Festvortrag Ehrenbürger und Alt-OB Karl-Heinrich Lebherz

 


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